…also ein bisschen Angst gehört schon zum Leben…

D i e A n g s t g e h t u m .
In Deutschland.
Nicht erst seit den Terroristenanschlägen in Paris.
Nein, Deutschland ist schon seit Jahrzehnten das Land der großen Sich-Sorgen-Macher.
Mit uns befreundete Staaten sprechen mit großer Anerkennung von der „German Angst“.
Jeder Deutsche hat sie sozusagen mit der Muttermilch aufgesogen und in seinen Kreislauf injiziert.
Und deshalb- ich habe die Statistik gerade in der Zeitung gelesen – fürchtet sich jeder zweite Deutsche vor Naturkatastrophen.
Und das kommt ja nicht von ungefähr.
Hatten wir jetzt gerade erst im Januar nicht einen fürchterlichen Wintereinbruch?
Zwei Tage lang musste ich die Windschutzscheibe meines Autos frei kratzen!
Mit Grausen denke ich an den letzten Sommer.
Da hatten wir doch tatsächlich an drei Tagen Temperaturen um die 32 Grad!
Ja, so entsteht langsam ein Klima der Angst.
Das Wort Klimawandel drückt das nicht explizit genug aus.

Es sei jetzt, zum besseren Verständnis für diese Art der Angst, darauf hingewiesen, wie ernst man diese Sorge nehmen muss.
Der Rheingraben kann jederzeit ruckartig wieder ein Stück tiefer sinken.
In den Maaren der Eifel brodelt es seit einigen Jahren verstärkt.
Hier kann jederzeit mit einem Vulkanausbruch gerechnet werden.
Und denken Sie doch einmal an das Ries.
Da hat doch erst vor ein paar Jahren ein Meteorit eingeschlagen.
Hat einen kleinen Krater hinterlassen, in dem die Stadt Nördlingen eine neue Heimat gefunden hat.

Also ein bisschen Angst gehört schon zum Leben.
Als kleiner Steppke habe ich als Fußballspieler schon gegen unseren Angstgegner gespielt.
Etwas größer geworden habe ich verstanden, dass meine Mutter mich niemals vor einem Spinnen- und Schlangenangriff bewahren würde, hatte sie doch schon beim Anblick einer Maus Reißaus genommen.
Verständlich, hatte sie sich doch im zweiten Weltkrieg unentwegt mit ihren zwei Mädchen vor Fliegerangriffen in den Schutzbunker retten müssen.
Für diese Angst habe ich sehr früh Verständnis gehabt und komischerweise den Kriegserzählungen mit Andacht gelauscht.
Ich war dadurch bestens gewappnet für – oder gegen? – die neuen Ängste, die über das Nachkriegsdeutschland regelrecht hereinbrachen.
Das Waldsterben ließ mich kalt.
Über das Ozonloch habe ich gestaunt und es leider niemals am Himmel gesehen.
Gegen den sauren Regen gab es Regenschirme.
Und als über Tschernobyl im Fernsehen berichtet wurde, habe ich meine Kinder unbeaufsichtigt im Sandkasten spielen lassen.

Im Urlaub in Italien sind meine Kinder entweder nackt – abhängig vom Alter – oder im knappsten Bikini am Strand herumgetollt.
Sozusagen aus Protest gegen die lebensgefährliche UV-Strahlung der Sonne.
Vogelgrippe und Schweinepest, Rinderwahnsinn und SARS scheiterten bei mir an meinen körpereigenen Abwehrkräften.
Dann allerdings bekam ich es mit der Angst zu tun.
Hatte ich doch ein bisschen was gespart und musste nun wochenlang vom Börsencrash Notiz nehmen.
Ein Glück, dass ich keine Telekom-Aktien geordert hatte.
Aber dafür erwischte uns jetzt, wie eine bösartige Infektion, die Inflation.
Gigantische nullkommadrei Prozent nagten an meinem Vermögen.
Wir retteten unser Erspartes und jetteten mit ihm in fremde Länder.

Natürlich nie ohne Malariaprophylaxe.
Spanien und Italien waren damals seuchentechnisch ganz anders zu bewerten als heute.
Sie lachen?
Waren Sie schon einmal auf dem Campingplatz in Lido de Jessolo?
In den Schul-Sommerferien?
Als sich die Algen an die Blüte machten?
Und es in unserem Wohnwagen und dessen Umgebung vierzehn Tage lang nach faulen Eiern stank?

Keine Angst, erklärte ich unseren Kleinen, wenn sie aus der Adria stiegen und an ihnen so etwas ähnliches wie drei Rollen Clopapier am Körper klebte.
Keine Angst, das tut nicht weh.
Aber das Zahnweh, das mich auf der 21 stündigen Heimfahrt erwischte und mich geradezu in die Arme eines Sadisten zwang.
Also diese Angst ist mir geblieben.
In der Zwischenzeit habe ich eine Schwiegertochter.
Ein ganz liebes Mädchen, aber eine Dr.med.dent.
Sie ist wirklich medizinisch viel besser ausgebildet als ich durch mein Studium der Apothekenumschau.
Mit ihrer Hilfe habe ich meine Hypochondrie wirklich besiegt.
Pest oder Cholera kann es nicht mehr sein.
Hat sie mir glaubhaft versichert, wenn es mich mal wieder irgendwo juckt.

Beinahe vergessen hätte ich meine – damals war ich noch Student – große Angst vor dem Vietnamkrieg und den beschlossenen Notstandsgesetzen.
Ich war dabei, als wir mit Bussen nach Bonn zur Großdemonstration in den Hofgarten fuhren.
Auch der Aufenthalt auf Straßenbahnschienen flößte mir keine Furcht ein.
Ins Schwitzen kam ich erst, als mir der Rektor der Universität einen ganz persönlichen Brief schrieb und mir mit der Exmatrikulation drohte.
Ich sollte doch tatsächlich durch ein „Sit-in“ den Vorlesungsbetrieb nachhaltig gestört haben.
Womit ich wieder in der Jetztzeit wäre.
Nachhaltigkeit kann einem schon Angst einjagen.
Da sollen doch jetzt aus Amerika tatsächlich Chlorhühnchen zu uns kommen.
Ich habe bei unserem Kleintierzuchtverein im Ort nachgefragt, ob sie die geplante Geflügelschau im Frühjahr schon mit dieser Neuzüchtung beschicken können.
Aber der Vorstand hat sich verleugnen lassen, als ich ihn das dritte Mal deswegen angerufen habe.
Und wie reagiert man seinen Frust ab?
Durch genmanipulierte Maisfelder schiebe ich zur Zeit den Kinderwagen mit meinen Enkeln drin.
Ich vernehme die Sorge aller fußballorientierten Väter, dass das eingeführte Freistoßspray jetzt auch bei den Amateurvereinen zum Einsatz kommt und durchaus – es gibt keine entwarnenden Studien – Mutationen im Genpool der Deutschen auslösen kann.

Da ist es doch ganz gut, wenn die Amerikaner uns ein wenig überwachen.
Vielleicht werden dadurch konspirative Tätigkeiten unserer Fußball-Schiedsrichter aufgedeckt.
Über Ausländerflut und Asylantenschwemme möchte ich mich jedoch deutlich positionieren.
Davor habe ich keine Angst und weh tut es auch nicht.
Da schmerzt und ängstigt mich die verpatzte Energiewende deutlich mehr.
Geht dieses Projekt doch wieder einmal an meinen Geldbeutel.
Und ich habe vor nichts mehr Angst, als vor offenen Rechnungen und davor, dass ich mal wieder zu kurz komme.
Ist doch menschlich und nicht unbedingt deutschtypisch, oder ?
Hinweis:
Diesen Artikel habe ich einige Jahre vor der Corona Epidemie geschrieben. Damals wusste ich nicht, dass die ganze Welt in Angst versetzt werden kann.