Meine Kinder meinen es ja gut mit mir.
Wenn ein Fest ansteht bekomme ich mindestens ein Buch geschenkt.
Meine älteste Tochter geht in den Buchladen und überlässt die Auswahl der Buchverkäuferin, allerdings immer mit dem Hinweis, dass das Buch ein männlicher,anspruchsvoller,vielseitig interessierter Leser in sein Ikea Bücherregal aufnehmen wird.
Bis jetzt war die Auswahl immer ansprechend und ich freu mich immer auf die Überraschung.
Immer.
Nur das letzte Buch würde ich am liebsten umtauschen.
Gelesen habe ich es, es wird aber keinen Platz im Buchregal finden, weiterschenken werde ich es auch nicht und in die öffentliche Buchzelle am Marktplatz werde ich es auch nicht einsortieren.
Nein, dazu bin ich nach der sinnlos verbrachten Lesezeit viel zu wütend.
Mindesten 5 mal wollte ich es mittendrin zuschlagen.
Aber, vielleicht bin ich mit meiner Meinung voreingenommen, habe ich mir gesagt und weiter gelesen. Bis zum Schluss.
Und jetzt stehe ich vor dem Problem, wie man ein nagelneues Sachbuch verschwinden lassen kann, ohne es zu verbrennen und ohne meiner Tochter weh zu tun.
Eigentlich bin ich ja froh, dass sie das Familiendrama der Thunbergs nicht empfohlen bekommen hat. Da hätte ich ja nur bekanntes Wissen wieder ein wenig aufgewärmt, denn das “ Manual der psychischen Erkrankungen“ war in den letzten Jahren meiner Lehrertätigkeit mein treuer Begleiter.
<Wütendes Wetter> heißt das Sachbuch der Friederike Otto, das ich aus dem Geschenkumschlag herausschälte.
Eine Alliteration, die mich sofort an den Werbespruch mit der Milch für müde Männer erinnerte.
Wütendes Wetter.
Die Autorin ist Wissenschaftlerin an irgendeinem wichtigen Klimainstitut auf dieser Welt und wollte halt auch noch ein bisschen Reibach mit dem Klimawandel machen.
Dazu hat sie natürlich einen Co-Autoren gebraucht, der ihre Daten in lesbare Form gebracht hat.
Sie hatte zusammen mit ein paar Kollegen, deren persönliche Nähe dadurch ausgedrückt wird, dass das die Heidi und der Geert sind, und denen sie – natürlich auch ein paar anderen Klimakumpels – ihren Dank in den letzten Zeilen des Buches ausdrückt, dass “ ihr mich einer von euch sein lasst“.
Kommen wir zum Inhalt.
Zusammen mit ihren Freunden will sie in Echtzeit mittels einer von ihr mitentwickelten revolutionären Methode genau berechnen, wann der Klimawandel im Spiel ist.
Nicht erst ein Jahr nach dem Extremwetterereignis, sondern sofort innerhalb kürzester Zeit, während das Wetterereignis sozusagen im Ausklingen ist.
Zuerst allerdings muss sie sich in einem Kapitel mit diesen arroganten Klimaleugnern auseinandersetzen, dann muss sie erkennen, dass man das wissenschaftliche Peer review, also die Begutachtung gewonnener Daten durch andere Wissenschaftler umgehen muss, weil das viel zu zeitaufwendig sei und damit ihr Anliegen nach Echtzeit ja scheitern würde.
Ihr genügt es, dass ihre Kollegen die Daten kritisch begutachten werden.
Und dann ist sie viel beschäftigt, fliegt hierhin und dahin um sich mit ihren Kollegen abzustimmen und lauert darauf, wann denn nun ein begutachtenswertes Extremwetterereignis auf dieser Welt passieren würde.
Und dann ist es soweit.
Der Hurrikan Harvey hat im Süden der USA zugeschlagen.
Ihre Forschungsgruppe hat die Computer vorprogrammiert so dass man nur noch die Wetterdaten eingeben muss und als Ereignis sofort ablesen kann, welchen Anteil der vom Menschen verursachte Klimawandel an diesem Wettereignis hat.
Natürlich müssen die Simulationen am Computermodell immer wieder nachjustiert werden, wie sie schreibt, sonst würden zum Beispiel die Niederschläge über Deutschland durchaus mit der Realität übereinstimmen, allerdings würde dann die Tropenzone Südamerikas als Wüste dargestellt werden. Aber zusammen mit ihren Freunden sei das ihr gelungen.
Spätestens hier wollte ich eigentlich das erste Mal abbrechen.
Sie schreibt, dass es für ein extremes Wetterereignis keine richtigen und falschen Daten gibt.
Es gibt nur Definitionen, die natürlich ideologisch gefärbt sein können.
Was Extremwetter sei, entscheide sie selbst.
Da wollte ich das Buch zum zweiten Mal aus der Hand legen.
Als sie der Chef von Climate Home, nach ihrer Ansicht ein weltweit führendes Nachrichtenportal zum Thema Klima, anruft und sie bittet, einen Gastbeitrag zu schreiben, damit in dem Meer aus Informationen und Sensationen über den Hurrikan „Harvey“ eine Stimme der Wissenschaft zu Gehör kommt, reagiert sie sensationell vernünftig.
Sie will ablehnen.
Wörtlich beschreibt sie diese Situation:
<Jetzt stecke ich genau in derselben Lage wie meine Kolleg*innen in der Klimaforschung, die sich, ohne über ausreichende Fakten zu einem konkreten Ereignis zu verfügen, über das Wetterextrem äußern müssen und deren unbefriedigende Antworten ich in der Vergangenheit durchaus kritisiert habe…..als ich einwende, dass ich keine Hurrikanexpertin sei und noch keine konkreten Ergebnisse habe…..sage ich schließlich doch zu.
Ich will sowohl dem alarmistischen Ton mancher Kolleg*innen etwas entgegensetzen als auch der Aussage, man könne ein Wetterereignis nicht mit dem Klimawandel in Verbindung bringen.>
Nun wollte ich das Buch auf meiner Toilette deponieren und dort nur noch bei langsitzigen Notfallsituationen weiterlesen.
Wir wollen Klarheit schaffen und damit auch mächtigen Interessen etwas entgegensetzen, die jahrelang das Gegenteil im Sinn hatten: Verwirrung stiften, schreibt die gute Friederike, die laut Titelumschlag einen Doktortitel in Philosophie hat, 37 Jahre alt ist.
Zusätzlich ist sie noch Klimawissenschaftlerin und Physikerin und amtierende Direktorin des Enviromental Change Institut an der Universität Oxford und hat das neue Feld der Attribution Science (Zuordnungswissenschaft) mitentwickelt.
Ein Genie. Aber wie geht das denn zeitmässig? Man wird ja fragen dürfen.
Ich habe 8 Semester Geodäsie studiert und mit dem Diplomingenieur abgeschlossen. Dann habe ich 5 Semester Geologie und Paläontologie an der Uni studiert und mein Wissen in den Geowissenschaften leider nur etwas vervollkommnet. Danach 6 Semester Pädagogik in den Fachbereichen Geographie und Deutsch mit staatlichem Abschlussexamen und anschließendem Referendariat.
Für Philosophie mit Doktortitel braucht man mindestens 14 Semester, für das Studium der Physik beträgt die Regelstudienzeit mindestens 8 Semester und wo man Klimawissenschaften studieren kann weiß ich nicht.
Ich schätze, dass sie so um die 33 gewesen sein muss, als man sie an ihrer Erststelle zur Direktorin machte.
Bereits 2014 hat sie ja das Projekt gegründet, da muss sie beruflich bereits bestens vernetzt gewesen sein.
Laut Klappentext zählt sie zu einer Handvoll Wissenschaftler weltweit, die in Echtzeit berechnen können, wie viel Klimawandel in unserem Wetter steckt.
Darüber habe ich also auf einer meiner Sitzungen sinniert.
Sie fliegt inzwischen nach Kapstadt, um dort den Einfluss des Klimawandels auf Südafrika sowie den ganzen Kontinent zu untersuchen.(Das schreibt sie wortwörtlich)
Ja, man muss sich schon was vornehmen.
Der Kontinent Afrika ist ja ziemlich übersichtlich und, das weiß ich noch aus meiner Schulzeit, parallel zum Äquator wunderbar übersichtlich in Klimazonen aufgeteilt
Allerdings bekennt sie, dass die Dürre in Äthiopien ein außergewöhnliches Extremereignis war und dass sie trotz unzähliger Simulationen von möglichen Wetterszenarien nicht nachweisen konnte, dass dabei der Klimawandel eine Rolle gespielt hat.
Als ich das Wort „Szenarien“ lese, habe ich das Gefühl, dass dieses Buch nicht mal auf meiner Toilette länger verweilen sollte.
Aber ich habe durchgehalten. Bis zur letzten Seite. Zum letzten Satz. Zum unverständlichsten Satz des ganzen Buchs:
Niemals, nicht in diesem Buch und auch nicht in anderen Medien, spreche ich für World Weather Attribution.
Hä, habe ich jetzt etwas nicht richtig mitgekriegt?
Sie hat doch selbst im Jahr 2014 das Projekt gegründet und war Mitglied dieses “ World Weather Attribution“ Teams!
Also, nach diesem Buch bin ich garantiert ein bisschen blöder geworden.
Und das ist ja nicht der Sinn meiner Beiträge.
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Jetzt müsste ich noch einige blödsinnige Fotos in meinem Archiv suchen. Hab‘ ich aber keine.
Nur eins für die Titelseite.
Nachtrag: Ich habe das Buch an Momox verkauft. Laut deren Beurteilung ist solch ein Buch gerade sehr nachgefragt und brachte mir daher 7.80 Euro ein.