…mit wenigen Kreidestrichen ist das Aufstellen des größten Obelisken erklärt, das Aufeinandertürmen gewaltiger Steinblöcke so ganz nebenbei erwähnt und die Gesichtssymetrie der Pharaostatuen, eine bildhauerische Meisterleistung, einfach übergangen…
Nein.
Natürlich können Steine nicht reden.
Gut, vielleicht Runensteine.
Die germanischen Runensteine waren in ihrem Mitteilungsbedürfnis ja schon sehr fortschrittlich. Allerdings setzt ihr Studium ein Studium voraus.
Also so richtig sprechen ist nicht.
Kommen Sie mir jetzt bitte nicht mit den ägyptischen Hieroglyphen.
Natürlich hat Champollion Großartiges geleistet, als er den „Stein von Rosette“ mal so mir nichts dir nichts übersetzt hat.
Aber was haben WIR davon?
Sie stehen als Tourist vor den Statuen des Ramses und ein Fremdenführer übersetzt die Bildsprache in ihre eigene Sprache, also ins Deutsche.
Und Sie glauben das alles?
Na ja, Sie haben ja eine Bildungsreise nach Ägypten gebucht und wollen ein wenig gescheiter nach Hause kommen.
Und für das viele Geld ist man auch bereit, zu glauben, dass das alles seine Richtigkeit hat.
Und der Fremdenführer weiß noch mehr, viel mehr.
Mit wenigen Kreidestrichen ist das Aufstellen des größten Obelisken erklärt,
das Aufeinandertürmen gewaltiger Steinblöcke so ganz nebenbei erwähnt und die Gesichtssymetrie der Pharaostatuen, eine bildhauerische Meisterleistung, einfach übergangen.
Nein, das alles war vor über 4 000 Jahren überhaupt kein Problem für die alten Ägypter.
Aber ich will ja der Frage nachgehen, ob Steine sprechen können.
Natürlich können Steine nicht sprechen.
Aber welcher Archäologe gibt das schon zu.
Da wird interpretiert, vermutet, Thesen wagemutig aufgestellt und hartnäckig verteidigt.
Doch nicht überall auf der Welt ist das so.
Das hat mir imponiert, dass bei der Besichtigung des Riesen-Steinhaufens in Newgrange/ Irland der Fremdenführer zugegeben – nein, das ist nicht das richtige Wort.
Er hat mit einem gewissen Stolz davon berichtet, dass sie nichts wissen.
Sie wissen nicht, wer diesen Bau veranlasst hat.
Sie wissen nicht, warum er errichtet wurde.
Sie wissen nicht, weshalb man das Bauwerk verfallen ließ, obwohl man Jahrzehnte benötigte, es aufzubauen.
Sie wissen nicht, ob es zu kultischen Zwecken errichtet wurde oder ob es eine Art „Alberthall“ der Bevölkerung war.
Nichts wissen Sie, nichts wissen wir.
Sagte John, der Guide.
Absolut nichts.
Nur, und das kann man sich gut vorstellen, dass es eine Mordsplagerei war.
Die Steine wurden 80 Kilometer weit hergeschleift.
Wie?
Das weiß man nicht.
Aber sie müssen hergeschleift worden sein, denn das Rad wurde erst ein paar Jahrtausend später erfunden.
Und man weiß, dass damals in Ägypten noch kein Pharao herrschte und somit auch keine einzige Pyramide stand und Stonehenge mindestens 1000 Jahre später erst entstand.
Und man weiß, dass in über 5000 Jahren irischen Wetters kein einziger Tropfen Regenwasser in das Bauwerk eindrang.
Furztrocken ists im Innern und das ist garantiert nicht auf die Verwendung von Dachpappe zurückzuführen.
Und die Symbole auf den Eingangssteinen?
Die Spiralen?
Keine Ahnung!
Sagt John, unser Guide.
Alles nur Vermutungen.
Wo findet man schon einen Fremdenführer, der sehr unterhaltsam eine halbe Stunde von seinem Nichtwissen berichtet.
Das war für mich interessanter als jeder Gelehrtenvortrag.
Und regte meine Fantasie deutlich stärker an.
Man kann sich übrigens bewerben.
Für drei Tage im Jahr haben etwa 15 Personen die Gelegenheit im Innern des Steinhaufens auf den Sonnenaufgang zu warten.
Wintersonnenwende.
Für 15 Minuten fällt der Schein der Sonne in den hintersten Winkel der Kammer.
Und das nur an drei Tagen.
John macht es uns mit seiner Taschenlampe vor, denn ich bin eine dieser 15 Personen, die schon im Hochsommer die Kammer betreten dürfen.
Mystisch.
Und dabei ist das nur der schwache Schein einer alten Taschenlampe.
Das enttäuscht dann schon ein wenig.
Ich wage daher in meinem bescheidenen Englisch die Frage, ob ich nicht zur Wintersonnenwende kommen könnte?
Ja , ich habs geahnt, aber der Versuch war es wert.
Man spielt ja auch Lotto, obwohl man Woche für Woche nicht zu den Gewinnern zählt.
Die 15 Glücklichen werden im Losverfahren ausgewählt.
Aus etwa 20 000 Bewerbern.
Ich bitte John nochmals seine Taschenlampe einzuschalten.
Fantastisch, wie der Lichtstrahl geheimnisvoll ins Kammerinnere wandert und dort auf die Rückwand Schatten zaubert.
In unserer Besuchergruppe herrscht andächtiges Schweigen und plötzlich fangen alle an zu grinsen.
Nur ich habe wieder nicht aufgepasst, ich wollte wissen, ob die Steine nicht zu mir sprechen und habe daher den Worten unseres Guides nicht gelauscht.
Aber es waren nicht die Steine, es war John, der zu der Gruppe sprach und der ihr erklärte, dass bei der letzten Wintersonnenwende der Himmel exakt an diesen drei möglichen Tage bedeckt war.
Bedeckt?
Nein, es seien die trübsten Tage des ganzen Jahrs gewesen!