„Bei Kilometer 13 biegt ihr links ab -wenn ihr von Llanca kommt – dann den Berg hinauf und ihr seid da.“
Tja, so einfach kann man die Anfahrtsroute in unser Ferienhaus geschildert bekommen.
Peter, unser Freund aus thailändischen Urlaubstagen, hatte uns angeboten, doch auch einmal in seinem Ferienhaus in Spanien Urlaub zu machen.

Es würde uns nichts kosten.
Unter Freunden.

Das Haus stünde eh das ganze Jahr über leer, bis auf die vier Wochen Urlaub, zu dem er mit Frau und Tochter aus dem fernen Thailand anreise, um sich in der sommerlichen Hitze Spaniens von den heiß-tropischen Tagen seines Domizils in Nordthailand zu erholen.
Wenn wir das Haus nicht gleich auf Anhieb finden würden, nun, die Wirtsleute der Strandbar am Platja de Garbet stünden zur Auskunft bereit, sie würden wahrscheinlich mit uns vor die Tür treten, auf den Berg hinauf zeigen, wo wir ein einsames Haus erblicken würden.

Das sei es dann.

Halt, eine kleiner Missmut sprach aus seinen Worten, jetzt habe ja so ein neureicher Spanier, ohne ihn zu fragen, während seiner Abwesenheit mal schnell eine Villa neben sein Häuschen hingeklotzt, man könne da nichts mehr machen, die Verwaltung stecke mit ihm unter einer Decke, mit diesem Neureichen.

Ich wagte damals in Thailand nicht zu fragen, wie er denn zu dieser prächtigen Lage eines Ferienhäuschens gekommen war, dort wo die Berge der Pyrenäen sich ins Mittelmeer stürzen.
Und dass das Ferienhäuschen sich bei unserer Ankunft sofort in eine Villa mit dem prächtigsten Meerblick, der mir jemals vergönnt war, verwandeln würde, konnte ich damals mir nicht vorstellen.

Da hatte unser Peter gewaltig tiefgestapelt.
Irgendwo im Oberbayrischen hatten seine Eltern eine Apotheke gehabt, er hatte nach deren Tod alles verkauft und sich in die weite Welt gemacht.

Zunächst mal für viele Jahre nach Mexiko, hatte von dort aus typisch Mexikanisches nach Deutschland exportiert , hatte eine Menge Geld dabei gemacht, aber die Mexikaner dann doch nicht als das Gelbe vom Ei angesehen.
Vielleicht hatte ihm auch eine Frau gefehlt, die er dann mit Pai im fernen Thailand gefunden hatte.

Einen Reisacker seiner Frau, Hochzeitsmitgift, hatte er in ein paar Jahren zu einer bemerkenswerten Urlaubsdestination verwandelt, zu einem geheimnisvollen tropischen Garten verwandelt und ihm so auch diesen Namen verpasst, auf den wir bei der Planung unserer Thailandreise gestoßen waren.
Secretgarden.
Im Internet unter http://www.secretgardenchiangmai.com zu finden.
Ganz einfach zu finden.
Jetzt musste ich aber erstmal den berühmten Kilometerstein 13 an der Straße von Llanca in Spanien nach Portbou, ebenfalls noch in Spanien, aber auch Grenzort nach Frankreich, finden.

Mit einem gewaltigen, mitten im Gebirge liegenden Bahnhof, führt doch hier die Eisenbahn in halsbrecherischen Kurven durchs Gebirge und stellt die Verbindung zwischen den beiden Ländern her.
Und damals, noch nicht im Besitz eines Navigationsgerät, ja, diese Zeiten gab es auch einmal, studierte ich eben die entsprechenden Landkarten.
Ziemlich schwierig, weil jedes Land gerade diesen Landstrich nicht in entsprechender Weise honorierend darstellte.
Die spanischen Karten hatten kein Interesse ihren Norden weiter als Portbou darzustellen, die Franzosen machten meist schon in Banyuls sur Mer Schluss mit der Straßenführung.

Irgendwie namenloses Grenzland, zu dessen kartographischer Darstellung man sich nicht viel Mühe gegeben hatte.
Auch die Karte des ADAC endete mit den Städtenamen Collioure, Port Vendres, Banyuls sur Mer, Cerbere, Portbou, Llanca und El Port de la Selva.
Und das Ganze in der kartographischen Verkleinerung von 1: 1 100 000.
Da nützt auch ein Vergrößerungsglas nichts mehr, allein der Buchstabe eines dieser Orte umfasste in unserer Landkarte ein Gebiet von einem Quadratkilometer.
Und da sollten wir den besagten Kilometerstein 13 finden, an dem nach links in die Berge hinauf ein kleiner Weg führen würde.
Ja, ja, man könnte mit dem Auto da schon hochfahren, es sei halt ein bisschen steil, aber im ersten Gang wäre das kein Problem.
Alles problemlos.
Wir würden also bei Perpignan die Autobahn verlassen, über die Staatsstraße 114 nach Port Vendres steuern und dann, rückwärts zählend, den Kilometerstein 13 suchen.
Natürlich haben wir ihn nicht auf Anhieb gefunden, aber es gab ja noch den Tipp mit der Strandbar am Platja de Garbet.
Irgendwie mussten wir dort unser Anliegen vortragen.
Ein beinahe schon fragender Hinweis< I’m a friend of Peter> und schon standen wir, wie vorhergesagt vor der Strandbartür, übrigens ein respektables Strandrestaurant, ein Zeigefinger am ausgestreckten Arm wies in die Höhe und wir sahen das Ferienhäuschen.

200 Meter über dem Meer thronend, umgeben von Pinien und von der besagten neureichen Konkurrenz.
Die allerdings noch ein bisschen größer, noch ein bisschen weißer, noch ein bisschen bestaunenswerter.
Mit diesem perfekten Anreisehinweis fanden wir doch tatsächlich die besagte Abzweigung, ich fand auch auf Anhieb den ersten Gang, um das Zurückrollen zu verhindern und später den passenden Stein, um das Rad zu blockieren.
Irgendwie hatte auch meine Liebste den Eindruck man könne sich hier nicht unbedingt auf eine angezogene Handbremse plus eingelegtem Gang verlassen.
Ohne lang zu suchen, fanden wir den versteckten Haustürschlüssel, im Kühlschrank- ja ich glaubs nicht, lief der etwa die ganze Zeit? -eine Flasche gekühlten spanischen Rotwein, die passenden Gläser dazu.

Schnell die Gartenstühle auf den Balkon geschleppt, die Füße aufs Geländer gelegt und den Blick übers Meer schweifen lassen, genau an der Stelle, wo in meiner Landkarte zwischen der Cote Vermeille und der Costa Brava ein kleiner Zwischenraum freigeblieben war.
Bei Kilometer 13 an der SS114
