Tiere müssen ja oftmals herhalten, um auf Charakterschwächen eines Menschen plastisch aufmerksam zu machen.
Verzeihung, wenn ich diese metapherähnlichen Ausdrücke jetzt ganz ungeniert benutze.

Du Drecksau, blöde Ziege, dumme Gans, aufgeblasener Gockel, wilder Stier.
Schlau wie ein Fuchs scheint eher eine Belobigung für das Verhalten darzustellen.
Und der Wolf?
Kriegt nur Böses ab. Das hat er Rotkäppchen zu verdanken.

Du Esel!
Manchmal sogar als “ Ich Esel “ formuliert, meist mit einer Handbewegung an die eigene Stirn unterstützt.
Hier scheint kein Adjektiv notwendig, hier genügt einfach der Tiername.
Und dabei tun wir diesem Tierchen so unrecht.
Fliegen Sie mal nach Ägypten, anders kommt ja man nicht hin, verlassen Sie mal ihr Allinklusivhotel und dringen Sie mal auf eigene Faust in einen Basar ein.
Von wegen Esel.

Esel über Esel.
Aber nach kurzer Beobachtungszeit ahnt jeder Reisende, dass der Esel für die ägyptische Wirtschaft unentbehrlich ist.
Wie wollen Sie mit einem Lastwagen in die engen Basargassen einfahren?
Autoabgase im Basar?
Nein, die Versorgung eines Basars geht nur mit Eseln.
Tankstellen für Fahrzeuge inmitten eines Basars?
Unmöglich. Explosionsgefahr.

Ein Grünfutterplatz dagegen?
Völlig ungefährlich.
Muss mal wieder den Leuten des Basars ein neues Gesetz, eine neue Verordnung ihres Präsidenten mitgeteilt werden, wo ist das Problem?

Eine Lautsprecheranlage auf dem Eselskarren ist schnell installiert und der Esel regt sich garantiert über den Inhalt der Durchsage nicht auf.
Schauen wir etwas verächtlich auf unsere Esel, die wir aus den vielen Kleinzoos in Deutschland kennen, dann müssen wir dem ägyptischen Eselchen höchstes Lob zollen, müssen den Stolz erkennen, den der Besitzer eines Esels empfindet.
Schauen Sie sich mal den Jungen an, der sein Gefährt durch die Gassen steuert.

Strahlt er nicht wie bei uns ein Jugendlicher strahlt, wenn er seine erste Mopedfahrt hinter sich gebracht hat und seine Maschine in die Garage schiebt?
Eine Garage allerdings kennt der Esel in diesem Land nicht.
Da wird schnell der Eselskarren senkrecht gestellt, der Esel in dessen Schatten gestellt und schon geht der Besitzer mal schnell ein bisschen Siesta machen.

Nein, Parkuhren sind unbekannt.
Abgeschleppt wegen Falschparken wird er garantiert nicht, das Eselchen wird auch in zwei Stunden brav auf seinem Platz stehen.

Ich habe nicht einen Eselsbesitzer gesehen, dessen lautes Wort nicht ausgereicht hätte, das Eselchen wie eine Nähmaschine zum Laufen zu bringen.
Willig, fleißig, genügsam, ohne Aufbegehren.

Ich weiß gar nicht, weshalb wir dem Esel unbedingt ein „störrisch“ aufbürden wollen.
Vom Frischfleisch bis zu den weiblichen Ausstattungsassessoires transportiert der Esel alles.
Er schaut nicht scheel, er rümpft nicht die Nase, gut, manchmal schnaubt er, aber das ist ein eher Wohlempfinden ausdrückendes Geräusch.
Ein paar Schluck Wasser, eine Handvoll grüner Klee, das reicht.


Und wenn Sie sich mal unbedingt für verrichtete Arbeit selbst loben wollen, dann sagen Sie ruhig:
„Oh Mann, ich bin doch ein Esel“!