…man nimmt es dieser Stadt nicht übel, dass sie ein paar Anleihen bei ebenso berühmten Städten Europas genommen hat….
Jahrmarkt? Menschengewusel! Drangvolle Enge!
Mensch, gibts hier was umsonst?
Im Gleichschritt!
Kirche geschlossen wegen Überfüllung.

Ja, verflixt, wo ist jetzt der Reiter?
Nee, das tu ich mir nicht an.
Den Kerl kann ich mir auch im Internet anschauen.
Seit 1200 hängt der hier und versucht zu reiten.
Schade, dass das liebe Pferdchen nicht so richtig will.
Halt, eigentlich ganz gut, sonst würden wir ja nur das Hinterteil sehen, wenn der Reiter dem Vollblut die Sporen gäbe.
Wer der Reiter sei?

Frag mich was einfacheres.
Ja, das weiß ich auch, dass das kein Vollblut ist.
Ritterpferde waren Kaltblutriesen.
Warum der in der Kirche hängt?
Keine Ahnung.
Ich habe mich nur auf die Radfahrkarte konzentriert, dass ich jetzt auch noch die Geschichte des frühen Mittelalters beherrschen soll, ist ein bisschen viel verlangt.
Kann man doch alles nachlesen.

Alles nur Möglichkeiten.
So viel ist sicher: Nix gwieses weiß mr net.
Ja, s’könnte sein, dass er damals so geredet hat.
Das Vorbild. Philipp von Schwaben.
Heimtückisch während einer Hochzeitsfeier, er war unbewaffnet, ermordet.
Erster deutscher Kaiser, dem so etwas passiert ist.
Und ausgerechnet zu der Zeit, so Mitte des 13.Jhs., als man im neu erbauten Dom erstmalig beerdigt werden konnte.
S ‚könnt aber auch die Erinnerung an einen Ungebildeten sein, der in die neu erbaute Kirche hineinritt.
Aus Spaß.
Oder aus Unwissenheit, denn so bekannt waren die Gepflogenheiten des Christentums noch nicht.
Das wäre dann die Theorie, dass der Reiter der heilige Stephan sein könnte.
Für den Messias gibts auch eine Theorie, die mir aber abwegig scheint.
Jesus ritt bekanntlich auf einem Esel nach Jerusalem.
Zumindest einmalig auf der Welt ist der steinerne Reiter von Bamberg.
Ein Reiter in der Kirche.

Über Jahrhunderte nahm niemand von ihm besondere Kenntnis.
Erst in der Weimarer Republik nahm man ihn wahr.
Als etwas Besonderes auf dem 100 Mark-Schein abgebildet.
Und ein paar Jahre später im Nazideutschland?
In der nationalsozialistischen Rassentheorie wurde er zum Denkmal des ewigen Deutschen stilisiert.
Die Post hat ihn im Nachkriegsdeutschland auf eine Briefmarke und Playmobil hat ihn 2012 in seiner (Beinahe) Originalbemalung ins Kinderzimmer gebracht.

Ja, das ist bewiesen.
Im Originalzustand war er bunt bemalt.
Aber wenn ein Pferd ganz oft gestriegelt wird, verliert es halt auch ein paar Haare und Farbe.
Logisch, dass das nur noch mit Mikroskop feststellbar ist.
Gell, ich weiß viel!?
Aber wie g’sagt: Nix gwieses weiß mr net.
Und im Original habe ich ihn ja nicht gesehen.
Und wer ihn aus dem Stein heraus gemeißelt hat, weiß auch niemand.
Jedenfalls ist kein Vorbild von ihm bekannt.
Niemand kann irgendwo etwas abgekupfert haben.
Urheberrecht für den Bamberger Dom.
Ganz anders in der Stadt.
Gleich hinter dem Haus des Bürgermeisters finde ich das Hinweisschild: Klein Venedig.

Tatsächlich, das könnte auch die Seufzerbrücke sein.

Mal ein wenig genauer ansehen.

Nein, die Strömung der Regnitz spricht dagegen,.
Ein paar Schritte weiter bin ich auf dem Mont Martre.

Zumindest im Künstlerviertel.
Und jetzt mal aus der Altstadt ins Geschäftsviertel, ein bisschen shoppen.
Ne, das darf doch nicht wahr sein.
Bin ich hier am Trevibrunnen. In Rom?

Wenn jetzt die Leute noch Münzen ins grüntrübe Wasser werfen?
Gottseidank, ich sehe im Wasser keine einzige Münze.
Ja, die Menschen haben hier für ihr Geld eine andere Verwendung, als es gerade so mal wegzuschmeißen.
Das ist der Beweis:
Ich bin im Land der blauen Zipfel und- weil Anfang Mai -im Spargelland.

Und im Einkaufsgetümmel.
Man nimmt es dieser Stadt nicht übel, dass sie ein paar Anleihen bei ebenso berühmten Städten Europas genommen hat.
Ich summe das Lied der Prinzen vor mich hin:
Das ist alles nur geklaut
das ist alles gar nicht deine,
das ist alles nur geklaut,
doch das weißt du nur ganz alleine,
Wer hat dir das erlaubt?
Wer hat dir das erlaubt?

Aus dieser Stadt finde ich ohne vernünftiges Kartenmaterial nicht mehr heraus, da genügt meine aus einem alten Atlas herausgerissene Kartenseite nicht mehr.

Wir müssen immerhin noch nach Hassfurt, das sind stolze 5o Kilometer, immer dem Main-Radweg nach.
Oh, ich spüre schon jetzt meinen Hintern auf ganz besondere Art und dabei sitze ich erst den zweiten Tag im Sattel.
Was soll da erst der Bamberger Reiter sagen, wenn er sprechen könnte, nach beinahe 1000 Jahren im Sattel?