…. man sich an der Westküste dieser Insel herumtreibt und unbedingt den wilden Atlantik erleben will, die brachialen Urgewalten dieses Ozeans genießt, dann hat man eigentlich….
Da bist du vom Atlantik umgeben wie noch niemals zuvor in deinem Leben und hast noch nicht einmal die Füße in das Wasser gehalten, noch keinen Sand zwischen den Fußzehen gespürt und abends noch kein einziges Sandkorn aus deinen Schuhen auf den Hotelzimmerteppich rieseln gesehen.
Steine gibts genug, aber Sand, Sand ist rar auf dieser Insel.

Das habe ich schon beim Kartenstudium zur Vorbereitung dieser Reise gesehen.
Obwohl einer der 10 schönsten und längsten Sandstrände der Welt hier im Westen Irlands- nördlich von Tralee- liegt, der Banna Strand.
Aber da kommen wir in unserem Urlaub nicht mehr hin, der Inch-Beach auf Dingle muss uns genügen.

Vor allem wenn man sich an der Westküste dieser Insel herumtreibt und unbedingt den wilden Atlantik erleben will, die brachialen Urgewalten dieses Ozeans genießt, dann hat man eigentlich eine zerklüftete Küste vor sich und meist keinen Zugang an die Wasserlinie.

Aber „the wild atlantic“, das war dieses Jahr leider – oder gottseidank- nicht zu erleben.
Das Wetter strahlte seit einer Woche um die Wette mit uns, kaum ein Wölkchen trübte den Himmel und ich denke mit Schmunzeln an die Begebenheit auf Dingle, als mich eine junge Frau bat, ein Foto von ihr zu machen.

Sie hatte deswegen ihren Arbeitsplatz verlassen, um zusammen mit dem strahlend blauen Himmel eine fotografische Erinnerung an diese seltenen Tage zu haben.
Mit diesem Bildchen war kein Wettbewerb zu gewinnen, denn Sie bestand darauf, dass nur ihr Kopf in den Himmel ragte.
Sie sah ganz glücklich aus, als nach ihren Regieanweisungen ich ihr die Beine fototechnisch abschneiden musste.
Für sie war der blaue Himmel wichtiger, als all die Körperteile, die sich unterhalb des Halsausschnitts befanden.
Wir sonnenverwöhnten Südwestdeutschen können das verstehen, lassen wir uns doch auch bei jeder Gelegenheit die Sonne auf den Pelz brennen.

An unseren Baggerseen haben die Strände so exotische Namen wie Rheinstrand-Bad oder Baggersee Gießen.
Deshalb fühlte ich mich von diesem Namen magisch angezogen, als ich ihn das erste Mal auf der Landkarte entdeckte:
Derrynanebeach.

Sandstrand, soweit das Auge reicht, ließ sich zumindest aus der Landkarte herauslesen.
Also wurde kurz entschlossen nach Waterville der Ring of Kerry für kurze Zeit verlassen, um längere Zeit an einem Sandstrand zu verweilen.

Den Coomakista Pass hinauf und von seinem höchsten Punkt aus sahen wir die blendend hellen Sandstrände von Derrynanebeach im nachmittäglichen Sonnenlicht herauf strahlen.

Doch bis über unsere Mienen ein Strahlen glitt, war noch ein abenteuerlicher Straßenabzweig hinunter zu den Stränden zu bewältigen.
Irgendwann entschloss ich mich vor jeder Kurve laut zu hupen, denn denkbar wäre es schon gewesen, dass uns ein anderes Fahrzeug im dschungelartigen Grün entgegen kommen könnte.
Die Straßenbreite reichte ja kaum für unseren Kleinwagen.
Also kräftig auf die Hupe gedrückt, bis wir an dem kleinen Parkplatz ankamen.

Wir – und sonst niemand.
Mutterseelenallein.
Menschenleere.
Nur wir zwei.
Und schon war der Ärger programmiert.

Ich wollte links rum um einen Felsen waten, für meine Liebste sah das nach einem gefährlichen Unterfangen aus, denn was wäre, wenn das Wasser wieder ansteigen würde?
Die Flut würde garantiert kommen.
Und schwimmen läge ihr heute nicht.

Man müsse auch an den Rückweg denken.
Die Stelle war ja jetzt schon wadentief überflutet und der Tidenhub soll ganz schön groß sein.
Hat sie behauptet.
Also rechts rum und mal eine Weile den eigenen Gedanken nachgehangen.

Mann, soll so ein Abenteuer aussehen?
Abenteuerlich sehen die Felsen nicht gerade aus, aber etwas glitschig.
Mal einen der vielen Felsen erklimmen, die wie verstreute Walfischrücken für mich aussehen.

Na, das war doch schon etwas.
Riesige Mördermuscheln fand ich allerdings nicht, komisch, am ganzen Sandstrand lag keine einzige Muschelschale, die man sammeln hätte können oder wollen.

Dort wo die Tide die Felsen freigelegt hatte, blinzelten uns ein paar Muschelchen zu und kurz vor dem Besteigen des nächsten Hügelchens – bekanntlich sieht man immer vom nächsten Berg aus Neues und Unbekanntes – sah ich nun wirklich Außergewöhnliches.

Da lag doch wirklich ein völlig intaktes Fahrrad.
Im Windschatten eines Felsens.
Abgestellt?
Entsorgt?
Vergessen?
Und kein Fahrer meilenweit in Sicht.
Vielleicht abgestürzt und im Felsenpool ertrunken?
Also in Deutschland würde ich das jetzt sofort auf dem Fundbüro abliefern, aber hier in Irland amüsiere ich mich über das Zweirad und abends spinne ich so meine Gedanken, welches dramatische Geschehen wohl dazu geführt hat, dass das Drahteselchen hier seinen Liegeplatz gefunden hatte.

Waren die Küstenabschnitte, die wir bislang besucht hatten, dramatische Orte mit durchaus dramatischen Geschichten, wie die „Cliffs of Moher“ oder die „FogherCliffs“.
Ich denke an die Warnhinweise für Radfahrer an den Cliffs of Moher, an die Totengedenktafel an eben diesem Platz.

Einfach mal so ausrutschen und 200 Meter tief fallen muss ja in einem Drama enden, wenn du die Picnic-area an den Fogher-Cliffs etwas voreilig verlässt.

Und wenn wieder so ein alter Kelte einen Gesteinsbrocken über 2o Kilometer weit nach uns werfen würde, wie ich das auf Valentia Island dokumentiert sah, würden unsere Freunde in Deutschland niemals unserer Erzählung glauben, dass wir nur ganz knapp einem Drama entgangen waren.

Auf jeden Fall waren am Strand von Derrynanebeach keine dramatischen Aktionen zu erwarten.
Obwohl ?

Wenn jetzt plötzlich so eine Mörderwoge den Strand überspült?
Soll nicht kurz vorher das ganze Wasser sich zurückziehen?
Die Strände trocken fallen?

Weiß denn die Mama mit Kinderwagen nicht, dass an manchen Stränden Treibsandstellen sie auf der Stelle verschlucken könnten?
Oder kommt das nur in den Karl May Romanen vor?

Aber- wo kommt die Kleinfamilie denn plötzlich her?
Im Westen, in der Richtung, aus der sie zielstrebig daher kommt, gibts doch nur die besagte Stelle, die bei unserem Versuch, sie zu umgehen, durchaus zu unserem Ertrinken hätte führen können.
Unverantwortlich, sich mit Kind in solche Gefahren zu begeben.
Also, Irland ist schon ein mystisches, gefährliches Land, Abenteuer über Abenteuer.
Man muss sie nur suchen.
Und finden.
So wie abends die Handvoll Sandkörner auf dem Teppichboden unseres Hotelzimmers.
Die höchsten zugänglichen Meeresklippen in Europa liegen in Irland und heißen : Slieve League Cliffs (Irisch: Sliabh Liag) im County Donegal.
Sollte man wissen, wenn man dem Wild Atlantic Way folgt und mal die Beine im Atlantik baumeln lassen möchte.
Die dramatischen Geschichten über die Cliffs of Moher und die Fogher Cliffs lassen sich in meinem Archiv aufrufen.