Am grauen Strand, am grauen Meer
und seitab liegt die Stadt;
der Nebel drückt die Dächer schwer,
und durch die Stille braust das Meer
eintönig um die Stadt.
Theodor Storm braucht Worte, als er seiner Heimatstadt Husum ein literarisches Denkmal setzte.
Es rauscht kein Wald, es schlägt im Mai
kein Vogel ohne Unterlaß:
die Wandergans mit hartem Schrei
nur fliegt in Herbstesnacht vorbei,
am Strande weht das Gras.
Doch hängt mein ganzes Herz an dir.
du graue Stadt am Meer;
der Zauber Jugend für und für
ruht lächelnd doch auf dir, auf dir,
du graue Stadt am Meer.
Galway – eine Stadt weit im Westen Irlands liegt am Meer und ist Zielpunkt beinahe jedes Touristen, der den “ Wilden Atlantik“ erleben will.
Aber – welch ein Unterschied zu Storms Beschreibung seiner grauen Stadt.
Die Farbe „grau“ kommt hier nicht vor.
Grau?
Igitigit!
Ich glaube, dass diese Farbe bei jedem „Galwayer“ das Grauen auslösen würde.
Nein, Iren lieben die Farbe.
Die gewagten Farben.
Nicht hinter verschlossenen Haustüren oder vorhangverhängten Fenstern.
Außen, an der Fassade.
Mein Haus muss ein Hingucker werden.
Diese Stadt braucht Farbe, werden sich die Damen und Herren des Stadtmarketings gesagt haben.
Mit Worten, wie bei Storms Gedicht, locken wir niemanden hier her.
Und wie das funktioniert.
Wir waren an einem ganz normalen Sonntag in dieser Stadt und haben verwundert den Kopf geschüttelt.
Irland ist ein streng katholisches Land, aber mit der Sonntagsruhe scheinen sie auf Kriegspfad zu stehen.
Alle Geschäfte sind sonntags wie selbstverständlich geöffnet, in den Straßen herrscht ein geschäftiges Treiben.
Aus den immer geöffneten Türen der Pubs dringt irische Musik auf die Straße, life natürlich.
Der Duft frisch gezapften Biers verfolgt uns wenige Meter, bis er an der nächsten geöffneten Pubdoor vom Duft der Konkurrenz abgelöst wird.
Zwischen dem großen irischen Schriftsteller Oscar Wilde und seinem Bruder hat ein Straßenmusikant Platz genommen.
Und ein paar Häuserecken weiter versucht sich der nächste Street-artist an einem äußerst ungewöhnlichen Sandprojekt.
Straßenmusikanten verdienen nicht schlecht.
Und Handwerker arbeiten ungeniert die dreckigsten, lautesten Jobs, die man durchaus auch montags oder mittwochs erledigen könnte.
Ungeniert vertreiben Touristen allein durch ihren Anblick den hart arbeitenden Gitarristen.
Na, wo ist er hin?
Nein, auf den Hund kommt in dieser Stadt niemand, diese Stadt ist rundum „busy“.
Sie lockt die Fremden in Scharen an und macht damit Galway zu einer der reicheren Städten Irlands.
Man muss wissen, dass dieser Landstrich „Connacht“ vor einigen Jahrzehnten noch das Armenhaus Irlands war.
Ein geflügeltes Wort, aufgeschnappt von meinem irischen Schwiegersohn, soll lauten:
„Geh‘ zum Teufel oder nach Connacht.“
Doch das ist vorbei.
Welche Rolle die Farben der Häuser dabei gespielt haben, läßt sich leider statistisch nicht nachweisen.
Aber vielleicht kamen die Iren auch auf privater Basis zu ihren Hausfarben?!
Wer hat damit angefangen?
Da muss einer einmal sein Häuschen mit einem Farbenrest aufgehübscht haben und alle anderen fandens gut.
Sie sind in den Keller und haben mal nach all den Farbresten gesucht, die man zusammenschütten und so einen neuen Farbton kreieren kann.
Und dann gings los.
Mit dem Pinseln der Hausfassaden.
So könnte es auch gewesen sein, aber eins ist sicher:
Diese Stadt braucht keinen Dichter, keine Worte.
Sie hat Farbe!
Gedicht von Theodor Storm: Die Stadt