…hätten die Japaner ein bisschen besser nachgedacht – so wie wir – der Name Fukoshima wäre heute noch völlig unbekannt…
Nachts, wenn ich nicht richtig schlafen kann, setz ich mich gern vor den Fernseher und zapp durch die
verschiedenen Verkaufskanäle.
TV-shopping.
Ach, ich habe schon manch gutes Produkt erworben und der Preis hat sich in Grenzen gehalten, obwohl meine neueste Erwerbung sogar aus den USA mir zugeschickt wurde.
Jetzt kann aber plötzlich meine Frau nachts auch nicht mehr schlafen.
Und sie hätte im Fernseher was ganz Tolles gesehen, das würde sie sich gerne bestellen.
Hat sie mir morgens zum Frühstück gebeichtet und hat dabei gestrahlt.
S‘ wär eine Bügelhilfe, mit der man ganz einfach Hemden zusammenlegen könnte, Unterhemden und auch die Bettwäsche.
Ihre Freundin Dagmar hätte sich auch so eine Bügelhilfe gekauft und die wäre ganz glücklich.
Hat unser Sohn bestätigt, als er einmal von einem Besuch bei Dagmars Sohn zurück kam.
Glücklich – also das will ich ja auch, dass das meine Frau ist.
Aber muss das gleich so teuer sein.
Das Glück.
Mit drei Handgriffen hätte sie das größte Betttuch zusammengelegt.
Ganz allein.
Blitzschnell.
Und sehr akkurat.
Aber sooo teuer.
Ich habs meiner Frau ausgeredet.
Ich habe ihr erklärt, dass sie eine andere Form von Glück braucht.
Keinen Plastikrahmen für 39.95 € plus Versandkosten.
Und als sie dann nachgefragt hat, wie ich das meinen würde, da hab ich gesagt, dass sie nur mich zu ihrem Glück bräuchte.
Und seitdem helf ich halt die Bettwäsche zusammenlegen.
Aber nicht, dass der geneigte Leser jetzt meint, das wäre eine Kleinigkeit.
Nicht bei uns.
Wir legen die Bettwäsche nämlich nach einem ganz bestimmten System zusammen.
Sonst passt die doch nie und nimmer in den Wäscheschrank.
In drei Schritten geschieht das bei uns und jeder Schritt ist wohl überlegt.
Wir wollen bei dieser Arbeit ja keine Romane erzählen, deshalb hat jeder Schritt der Bettwäschezusammenlegung einen short-cut-name erhalten.
Also, hätten die Japaner ein bisschen besser nachgedacht – so wie wir – der Name Fukoshima wäre heute noch völlig unbekannt.
Bei uns gibts keine Störfälle.
Wir mussten noch niemals eine Faltentscheidung rückgängig machen.
Wir arbeiten systematisch.
Nach einer Art Checkliste, die sich seit Jahren bewährt hat.
Schritt 1: Wir haben ihn „Das Sprungtuch“ genannt.
Stellen Sie sich vor, es würde brennen.
Man müsste aus dem Fenster springen und meine Frau und ich würden unten stehen.
Mit dem Betttuch.
Natürlich aufgespannt.
Aber bevor da einer reinfällt, muss man das Tuch ein wenig lockern, ein wenig vorspannen, einfach mal ein Gefühl für das Betttuch bekommen.
Schritt 2: “ Der Flattermann „
Besser kann man das gar nicht erklären.
Diese Namensgebung ist selbsterklärend.
Die Tätigkeit muss sich ziemlich flattrig anhören, dann ist es gut.
Die in Fukoshima müssen taub gewesen sein.
Wir zwei, meine Frau und ich, hören die feinsten Unterschiede heraus.
Leinen, Seide, schlecht gebügelt, zu viele Falten, zu oft schon gewaschen.
Unsere Sensoren erkennen so etwas sofort.
Dann Schritt 3 und Abschluss: “ Die Streckbank „
Mich erinnert das halt immer ans Mittelalter.
Da haben sie doch den armen Leuten die Füße und die Arme langgezogen bis es geknackt hat.
Das ist mir am Anfang auch passiert.
Es hat geknackt.
Diverse Betttücher.
Da habe ich halt meine rohen Kräfte noch nicht so richtig dosiert.
Also schon Gewalt – aber mit ganz viel G’fühl.
Und jetzt kommts.
Weshalb ich diese Geschichte überhaupt geschrieben habe.
Jetzt kommt eine Handlung, die in unserem Handbuch eigentlich gar nicht vorgesehen ist.
Diesen 4. Schritt kann man den Japanern nicht als Ratschlag mit auf den Weg geben.
Jetzt kommt nämlich meine Frau und sagt etwas, mit leicht triumphierenden Unterton.
Und ich weiß schon immer im Voraus, was sie jetzt sagen wird.
Es ist wie ein Zwang.
Kein Japaner wird das verstehen, weil die ja nur auf Kirschen und Kirschblüten stehen.
Seit über dreißig Jahren sagt sie jetzt: “ So – einmal Zwetschge !“
Ich weiß ja, dass das absolut nichts mit Zwetschgenkuchen zu tun hat.
Was will sie mir sagen?
Will sie mir sagen, dass nach „einmal“ noch ein zweites Mal kommt.
Pardon – Bettuch – kommt?
Das bekomme ich dann auch prompt in die Hand gedrückt und wir arbeiten wieder nach dem drei Schritte Programm.
Allerdings krieg ich beim zweiten Betttuch das einfache Teil in die Hand gedrückt.
Meine Hände sind anscheinend nicht fürs komplizierte Teil geeignet.
Das mit dem Reißverschluss oder den Köpfen.
Das kann nur sie machen.
Wenn wir dann mit der Arbeit fertig sind, laufe ich nicht von der Arbeit weg.
Nein, ich warte!
Denn der Logik nach müsste jetzt etwas kommen.
Aus ihrem Mund.
Aber sie sagt es nicht.
Noch nie hat sie es gesagt.
Vielleicht liebt sie keine Alliteration.
Warum sagt sie nie:
“ So – zweimal Zwetschge!????“
1.Anmerkung: Alliteration ist der Fachbegriff für den gleichen Anlaut bei Wörtern in einem Satz. Beispiel: Milch macht müde Männer munter.
2.Anmerkung: Der Text sollte besser im schwäbisch-badischen Dialekt veröffentlich werden. Eigentlich ist er fürs Vorlesen gedacht.