Wenns um de Kartoffelsalat geht – da kennt mei Frau koin Spaß. Und i natürlich a net.
Neulich – mir ware mol wieder wo eiglade, da stand an Kartoffelsalat aufm Tisch, dem hab i scho meilenweit agsehe, dass der mir net schmecke wird.
Grau-braun, furztrocke und au no mit Gurkenstückle drin – so was ess i net. Net amol probiert habe davon, s´Ranzeblitze wär vorprogrammiert gwese.
Aber, des hab ich mich in dieser Nacht noch gfragt , dr Wurschtsalat war Rüttelbeton für mein Mage und i konnt deshalb die ganz Nacht koi Aug zumache – i hab mi also gfragt, weshalb wir bei nem fremden Kartoffelsalat koin Spaß verstehe und unsere viel gerühmte Toleranz total vergesse.
Eigentlich hab ich zu d`Kartoffle koi erotisches Verhältnis wie z.B. zu de Maultasche oder de Schpätzle. Da bin i allerdings net alloi, i glaub dem ganze Schwabenstamm geht des so. Und wie i so in dere Nacht sinniert hab, da sind mir die Verwendungszwecke der Kartoffel bei meinere Mutter eigfalle. Erstens: durch d Sau durch. Zweitens: als schwäbischer Grumbiere Salat. Drittens: als saure Kartoffelrädle und viertens: als die Bubespitzle.
Erscht viel später – so in den frühen Morgenstunden – hat mein Verstand gmerkt, dass ichs Wichtigste vergessen ghabt hab:
Kartoffelschnitz und Spätzle.
Und da begann das Sinniere aufs Neue. Warum stehen die Kartoffeln im schwäbischen Nationalgericht an erster Stelle? Warum? Muss des regionallinguistisch betrachtet net heiße: Spätzle mit Kartoffelschnitz?
Selbst die Internet Recherche am späteren Morgen brachte hierfür keine einleuchtende Lösung.
Egal wie mans schreibt, auf jeden Fall kannschs esse.
Aber des war net immer so!
Kolumbus hat die Kartoffel aus der Neuen Welt mitgebracht, des weiß heut a jedes Kind, aber dass das noch bis genau 1698 gedauert hat, bis mir diese Erdbirne bei uns esse konnte, da hat heut koiner a Erinnerung dran.
In dem Jahr damals nahm der württembergische Herzog – König wurde der erst unter Napoleon – Glaubensflüchtlinge auf. Aus der Provence und aus den Turiner Alpentäler kamen die und wurden bei uns etwas verächtlich d`Waldenser genannt. Und weil des Grenzgebiet zu Baden völlig menschenleer war – eine Folge des 30 jährigen Kriegs – durften die sich dort ansiedeln.
Unter ihrem Anführer Henri Arnaud brachte sie vier Sache mit, aber drei davon kannsch schnell wieder vergesse. Ihre Sprache, ihre Seidenspinnerei und die dazu benötigten Tierle und die Maulbeerbäum und die … na, du ahnst es schon : die Kartoffel, damals die Erdäpfel oder d Grumbiere genannt. Nur die überlebten die Einwanderung.
Für die Schwobe aber war und blieb sie etwas Fremdes. Heute würd mr den Hinweis auf dr Speisekarte vermerken hinter einem hochgestellten Sternchen: Sättigungsbeilage mit Migrationshintergrund.
Ja, da gings der Kartoffel nicht anders als den italienischen Gastarbeitern in den 60 ern und den türkischen Freunden zum Ende des 20. Jahrhunderts: Sie stießen auf Ablehnung, genau wie das, was sie mitbrachten.
Völlig unverständlich, wo doch Spaghetti und Döner von manchem Grundschüler als typisch deutsche Speise dem Lehrer gegenüber aufgesagt wird. Aber so ändern sich halt die Zeiten. Nur eins nicht.
Die Kartoffel wurde nie zum Liebling in der schwäbischen Küche.
Noi, diese Erdfrucht leuchtet uns Schwaben nicht in der Dunkelheit.
Böse Zungen behaupten, das Symbol der Welschen wäre eine brennende Kerze auf einer Kartoffel– mir ischs lieber es bleibt dunkel und i muss des Elend einer Salzkartoffel net agugge.
Aber bei der Lissy – so heißt mein Weib – ihrm Kartoffelsalat, da werde alle meine Sinne hellwach.
Der wird bei uns net gschwind gmacht, nein schon allein ihre Ansage: „I mach an Kartoffelsalat!“ ist ein feierlicher Moment voller Andacht und Würde. Und seine Zubereitung kann schon einige Zeit in Anspruch nehmen. Jedenfalls wird er morgens gmacht, damit er dann abends schön schlonzig in der Schüssel liegt.
Mehr kann i da jetzt net verrate, weil wir dann ja nimmer die einzigen sind, die sowas zuweg bringe. Mir verrate unser Rezept net, mir sind net de Snowden. Oder doch!?
Ebbes muss kein Geheimnis bleibe.
Wenn etwas deine Schwermut besänftigt, dann der(!) Kartoffelsalat.
Sisch die reinschte Luscht.
Den z´esse!
Lux lucet in tenebris!
Des isch der lateinische Wahlspruch der Waldenser und des heißt uff gut deutsch: Das Licht leuchtet in der Finsternis !
Noch eine historische Bemerkung, schließlich war ich 38 Jahre lang Geschichtslehrer:
Es ist nicht verbürgt, dass die französische Königin Marie Antoinette auf den Ruf der Pariser Marktfrauen nach „ Brot“ geantwortet hat: „Sollen sie doch Kartoffelsalat esse!“
Das hätte sie wahrscheinlich vor der Guillotine bewahrt.
Einfach grandios geschrieben, witzig und hochinteressant (der Dialekt ist der Hammer – wunderschön) – als echter Weana (Wiener) kann ich bei dem heiklen Thema sehr mitfühlen, den der Erdäpfelsalat ist auch bei uns ein Stück Kulturgut und fixer Bestandteil einer jeden guten Speisekarte.
In diesem Sinne weiterhin viele erhellende Momente und liebe Grüße ins Schwabenland, lG Walter
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Freut mich, dass dir meine kleine Geschichte gefallen hat.
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