…wenn da nicht zwei ältere Herren im Schatten der Felswand lauern würden. Ein kleiner Plastiktisch vor ihnen und…
Eigentlich ist mir die Liebe zu Italien abhanden gekommen.
Geklaut sozusagen.
Wie letztes Jahr mein Geldbeutel.
Und vor zwei Jahren das Türschloss an unserem geleasten Wohnmobil.
Das war nach der Attacke wohl noch da, allerdings mussten wir ein paar Tage durch die Seitentür einsteigen.
Man ist sportlich und hat ja eigentlich damit gerechnet.
Nur zwei Wochen später nicht mit der Rechnung des Autovermieters.
Gedeck-Steuer, nur weil neben ihrem Pizzateller eine Stoff-Serviette sich verirrt hatte?
Mir passiert das immer häufiger.
Plastikstuhl und Plastiktischchen, Ikeateller und verbogenes, stumpfes Großmuttermesser könnte man ja noch akzeptieren.
Aber warum die blöde Stoffserviette.

Ein Liegestuhl am Strand?
Der letzte kostete für den halben Tag 14.50 €.
Großzügig habe ich auf 15 € aufgerundet.
Da wusste ich noch nicht, dass der Eintritt ins Bagno nicht für umme war.
Schlappe 6 € pro Person.
Zwei Stunden hielt ich es ohne Sonnenschirm aus.
Dann waren für den Rest des Nachmittags 4 € fällig.
Zu diesem Zeitpunkt war mein Gehirn schon ein wenig eingekocht, jedenfalls überließ ich abends die Zusammenstellung der Tageskosten meiner Frau.
Sie meinte, dass wir morgen wandern würden.
Im meerfernen Gebirge.
Zudem sei es dort um einiges kühler.
Und Wasser würde man vielfach aus Quellen trinken können.

Die erste Quelle, die wir ansteuerten, war leider schon besetzt.
Zwei junge Burschen waren der Meinung, das sei eine Privatquelle.
Das glaubte ich ihrem Wortschwall entnehmen zu können.
Der Pappbecher war sauber.
Und 2.50 € für einen kühlen Schluck reinsten Gebirgswassers ist ja nun wirklich nicht zu teuer.
Man soll ja laut ärztlicher Beratung mindestens 3 Liter Flüssigkeit am Tag zu sich nehmen und diese Empfehlung gilt für das kühle Mitteleuropa.
Und hier im heißen Italien?

Wir hätten ja gerne mehr getrunken.
Aber das Kleingeld war alle und mit Scheckkarte bezahlen war nicht drin.
Vielleicht nächstes Jahr.
Italiener sind clever.
Auf halber Höhe umkehren, nur weil man ein wenig Durst hat, hinter der nächsten Pinie aber schon den Gipfel sieht?
Der Weg wird steiler und verengt sich, aber kein Problem, wir sind schwindelfrei.
Wir gehen hintereinander.
Nur noch ein kleines bisschen, dann sehen wir aufs Meer, auf die Häuserdächer von Cefalu.
Oh, da muss beim letzten Sturm ein Baum geradewegs auf den Pfad gestürzt sein.
Komisch, dass der gar keine Äste mehr hat?
Da werden wir gefahrlos unten durch kriechen können.
Wenn da nicht zwei ältere Herren im Schatten der Felswand lauern würden, gleich neben dem dicken Ende des Stammes.
Ein kleiner Plastiktisch vor ihnen.
Und da drauf eine der bekannten metallenen Geldkassetten.
Nein, sie seien keine Wegelagerer.
Sie seien von der Gemeinde dazu beauftragt und mit dem eingenommenen Wegezoll würde man ja den Wanderweg in Schuss halten.
Nur den Baum könnte man halt nicht entfernen.
Aber sie hätten da für einen Durchschlupf gesorgt.
Und zum Gipfel sei es nicht mehr weit und die Aussicht fantastisch.
5 € pro Person müsse das einem schon wert sein.
Und warum weist die Gemeinde nicht am Fuß des Berges auf den Wegezoll hin?
Oh, dieses Problem hätten sie jedes Jahr.
Immer wieder würden Touristen das Schild den Hang hinunter werfen.
Und in der Macchia würde man das halt nicht mehr sehen.

Wir leihen uns von einem belgischen Touristen das nötige Kleingeld aus, denn jetzt wollen wirs wissen.
Wir genießen die herrliche Aussicht auf Cefalus Dächer und auf das tiefdunkelblaue Mittelmeer mit Schluckbeschwerden, rissigen Lippen und zehn Euro Schulden.
Abwärts ists genauso anstrengend und noch ein bisschen heißer und der Durst noch, noch ein bisschen größer.
Ein kleiner Kieselstein im Mund soll ja manchen durstigen Wanderer in der Wüste vor dem Verdursten gerettet haben.
Ob das auch hier funktioniert?
Wir probieren das mal aus.

Am Fußes des Berges haben wir dann mit völlig ausgetrocknetem Mund das ominöse Schild gesucht.
Und gesucht und gesucht und gesucht.
Wir wollten es wieder aufstellen in einer Art europäischer Nachbarschaftshilfe.
Nein, wir hätten dafür keine Gebühren verlangt.