Ich wollte mal oben sein, wenn…
Wenn Deutschlands Winterstürme über die Republik herfallen, wenn der Brocken herhalten muss, um dem Fernsehenden einen stürmischen Wettereindruck zu vermitteln.
Wir waren oben – leider bei Postkartenwetter.
So sind meine Fotos für Sie vielleicht eine Enttäuschung.
Brechen Sie das Studium dieser Seiten ab, wenn sie Windstärke 12 romantisch schön finden, wenn Sie Eisnadeln im Gesicht verspüren und wenn Sie Ihren Partner anstrahlen wollen, weil nur sein fester Griff, mit dem er Sie gerade noch rechtzeitig am Kittel gepackt hat, sie von dem Sturz in die Tiefe gerettet hat.
Ich aber bin bei strahlendem Sonnenschein und wolkenlosem Himmel auf dem Weg zum Brocken.
Schon im Parkhaus in Schierke verspüre ich die Unmöglichkeit, heute zum Helden zu werden, der dem Brockenwetter die Stirn bietet.
Immerhin habe ich nicht die Anreise mit dem Zug gewählt.
Die höchsten Berge der Republik möchte ich schon auf Schusters Rappen bezwingen.
Den Feldberg Baden-Württembergs habe ich schon mehrmals bestiegen, ich will nicht übertreiben, es hatte ein Erwandern genügt.
Vom Parkplatz aus ein paar Meter.
Hier gehts allerdings ein paar Höhenmeter durch borkenkieferzerfressenen Wald, über Blockmeere hinwegsetzend, immer das Fauchen und Signalgeben der vorbeidampfenden Brockenbahn in den Ohren.
Keine Frage, dass hier mancher Reisende ob dieser Klangkulisse einen Hexenschauplatz vermutet.
Qualmen tuts auf jeden Fall und manch einer kennt ja eine Dampflokomotive nur noch aus der Fernsehsendung „Eisenbahnromantik“.
Romantisch empfinde ich den Zustand des Waldes :
Herrlich abgestorbene Tannenbäume, nichts mehr von den besungenen grünen Blättern zu sehen, nein, hier dominiert die Farbe graubraun.
An manchen Stellen fuhr der Hochentaster wie ein Rasenmäher durch den Wald, nein, über den Wald, alle Bäume in 5 Meter Höhe kappend.
Und das soll ein Nationalpark sein?
An einer Informationshütte lesen wir den Hinweis, dass man hier die Natur wieder sich selbst überlassen will.
Dass man nichts gegen den Borkenkäfer unternimmt.
Das wird den kleinen Kerl aber freuen.
Hoffentlich lässt er in den nächsten Jahrzehnten noch ein paar Bäume stehen.
Man hätte ja auch auf der Asphaltstraße den Gipfel erklimmen können, nein, wir mussten mal wieder Querfeldein.
Ein Glück, dass noch ganz viele Andere die gleiche Idee hatten, so müssen wir uns nicht orientieren, keine Wegmarke lesen, einfach den Anderen nach, das wird dann schon zum Ziel führen.
Die ehemalige Grenze zur DDR überqueren wir, ohne eine richtige Vorstellung zu haben, wie es hier im deutschdemokratischen Sperrbezirk vor 1989 aussah.
Einmal die Gipfelregion umrundet, am Teufelstisch ein paar Fotos gemacht, am Rastplatz eine Bratwurst verdrückt und ein Bier hinabgegurgelt und im Souvenirshop eine Postkarte erstanden.
Mit dem Schriftzug „Ich war oben“!
Es hat sehr viel Spaß gemacht, Ihren Artikel zu lesen. Prissie Griswold Tansy
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